Donnerstag, 6. Juni 2024

Wie sieht eine normale Rentner-Woche aus?

Wie sieht eine normale Rentner-Woche aus?
Wie sieht der normale Wochenablauf eines Rentners aus, sprich die Rentner-Woche? Vor dieser Frage stehen viele, die ihre berufliche Laufbahn hinter sich gelassen haben. Was tun den ganzen lieben Tag? Wie wollen wir unser Leben gestalten im Ruhestand?

Wer in Rente geht, nimmt sich viel vor. Er will sein Haus reparieren, Gitarre spielen lernen oder eine große Reise machen. Aber irgendwann ist alles im Haus repariert und die Reise zu Ende. Selbst eine große Reise, die das Berufsleben vom Ruhestand trennt und als ultimativer Tapetenwechsel und Zäsur gedacht ist, geht einmal zu Ende. Übrigens, ich bin nicht den Jakobsweg abgelaufen oder ayurvedisch in Südinden abgetaucht, sondern ich habe die Tour de France nachgefahren und ein Buch über mein Radabenteuer geschrieben: "Tour de France für alte Knacker". Vielleicht lässt sich der eine oder andere inspirieren.


Wie die Rentner-Woche gestalten?




Natürlich habe ich mich schon vor, während und nach meiner Tour gefragt, wie ich mein Rentnerleben gestalten will, was ist mir wichtig, wo ich mich einmischen will und was noch lernen? Es gilt, so die "Apotheken Umschau", den Ruhestand zu planen.

- Schon zum Ende meines Lebens als angestellter Redakteur habe ich ja schon darüber nachgedacht, wie ich die Zeit danach gestalten will und ließ mich in den Vorstand der Volkshochschule Olching wählen – aus Überzeugung und Verpflichtung. Eine spannenden und vielfältige Aufgaben.


- Ich hatte am 28. November 1998 den cic! cyber investment club aus der Taufe gehoben. Leider mussten wir den cic! schließen, weil wir keine Bank mehr fanden (Consors hatte uns leider gekündigt), die uns als GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) haben wollte. Also haben wir den cic! aufgelöst und die Gesellschafter ausgezahlt. Die Idee des Investmentclubs in Deutschland ist wegen Überregelung tot – und ein Rückschlag für die Aktienkultur hierzulande.


- Vor dem Start zu meiner Tour de France bin ich dem ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club) beigetreten – um mich zu motivieren, auch nach der Tour weiter zu radeln


- Als festangestellter Redakteur schloss mein erster Arbeitgeber für mich eine obligatorische Direktversicherung ab beim Versorgungswerk der Presse. Das war 1980. Seitdem habe ich in der Ansparphase Krankenkassenbeiträge aus meinem versteuerten Gehalt gezahlt – und jetzt, in der Auszahlphase, darf ich noch einmal den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil für die Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Das Gesetz wurde rückwirkend 2004 von SPD, Union und Grünen beschlossen. Ich muss annähernd ein Fünftel meiner Direktversicherung an die Krankenkasse abdrücken. Diese Doppelverbeitragung nehme ich nicht widerspruchslos hin. Deswegen bin ich dem Direktversicherungsgeschädigten Verein (DVG) beigetreten, um politisch aktiv gegen diese Ungerechtigkeit zu kämpfen.


- Neben dem Radfahren muss ich etwas für ein ausgeglichenes Leben tun – ich denke, dass Qi Gong für mich am besten passt. Gesagt, getan – jeden Dienstag schalte ich eine Stunde bei dieser Mischung aus Meditation und Konzentrationsübung ab.


- Neben Radfahren ist mir noch Schwimmen wichtig – wenigstens einmal die Woche. Im Sommer bietet sich dafür der See ein, im Winter das Hallenbad.


- Sport, Kultur und Kunst – im Keller wartet ein eingerichtetes Atelier auf mich. Wir ließen uns vor zwei Jahren auf Föhr von der Acryl-Malerei begeistern.


- Social Updating – was so hipp klingt, heißt nichts anderes, als Freundschaften zu pflegen und alte Kontakte wieder zu reaktivieren


-  Reisen – ich war viele Wochen mit dem Rad in Frankreich unterwegs, deswegen sitze ich momentan gern zu Hause, aber das Reisefieber kommt unweigerlich. Die nächsten Reisen sind auch schon geplant.


- Haus- und Gartenarbeit – klingt vielleicht nicht ganz so sexy, macht aber Spaß. Dazu gehört der Hausputz einmal die Woche und das Trimmen der Hecke, das Reinigen des Gartenteichs und das Ernten von Erdbeeren oder selbst gezogenen Tomaten.


- Kochen – für einige ein ausfüllendes Hobby, für mich eher ein befriedigendes Zwischenspiel. Wie wäre es denn mal mit Marillen-Knödel oder gefüllten Tomaten! Rentner haben endlich Zeit, auch etwas Aufwendigeres zu kochen und verschiedenes auszuprobieren. Oder warum nicht mal ein Bœuf Bourguignon? 


- Einmal Journalist, immer Journalist – in den vergangenen Jahrzehnten war ich einfach zu eingespannt, mich um das berufliche Umfeld zu kümmern. Das soll sich wieder ändern


- Familie – die ist gewachsen. So ein Essen festigt die Bande, nur mal als Beispiel. Sich auszutauschen und den Kontakt zu pflegen, verbessert das gedeihliche Miteinander.


- Lesen – die Zeiten der täglichen S- und U-Bahnfahrten sind vorbei. Während dieser Stunden habe ich so manches Buch ausgelesen. Das geht mir momentan ab – höchste Zeit, die Lektüre wiederaufzunehmen.


- Kultur – Volkshochschule, Kunstvereine und Museen bieten so viele Möglichkeiten, sich schöpferisch weiterzubilden. Wie wäre es mal wieder mit Theater oder Kino?


- Fotografieren – ich bin ja mittlerweile ein Instagram-Fan geworden. Offensichtlich kommen meine Schnappschüsse an, denn die Zahl der Follower wächst.




Der (Vor)Ruhestands- und Übergangscoaching Wolfgang Schiele ermutigt Ruheständler den Ruhestand 3.0 als „historische Chance zur Selbstverwirklichung und Selbstfindung“ zu nutzen. Da kann ich ihm nur beipflichten.

Diesen Freiraum auszufüllen, ist Erfüllung und Aufgabe gleichzeitig. Wenn wir es nicht schaffen, „versinken wir entweder in den Banalitäten des Alltags oder verzetteln uns inmitten tausender Ideen und Angebote“. Er hat recht damit, wenn er sagt, dass wir unsere neue Rolle erst finden müssen – das gilt auch für mich.


Kein Zeitkorsett mehr




Unser berufliches Leben war bestimmt von Vorgaben, definierten Pflichten und einem teils starren Zeitkorsett. Das ist vorbei. Jetzt geht es darum, uns einzunorden und dem Alltag eine Struktur zu geben. Diese unsichtbaren Strukturen werden uns erst jetzt bewusst, da es sie nicht mehr. Jetzt sind wir selbst dafür verantwortlich, uns eine Struktur zu geben.


Die richtige Balance


Schiele plädiert dafür, dass Ruheständler ihre Abläufe neu strukturieren, "denn die Struktur und Zwänge unserer Arbeitswelt existieren nicht mehr". "Wir tragen eine neue Verantwortung uns selbst gegenüber: Wir sind gleichzeitig sowohl zum Chef als auch zum Mitarbeiter unseres Lebens geworden", fasst es Schiele zusammen.

So ein bisschen dabei helfen könnte das Aktivitätenquadrat der Buchautoren Inga Behtke-Brenken und Günter Brenken („Aufbruch in den Ruhestand“). Sie empfehlen, die vielen Möglichkeiten an Aktivitäten von vornherein in ein System einzuordnen. Sie teilen die Aktivitäten in vier Schwerpunkte ein:

- Kontakte pflegen


- Mehr wissen wollen


- Genießen und konsumieren


- Tätig sein

Ihr Tipp: „Versuchen Sie eine Balance zwischen diesen Schwerpunkten zu finden.“ Einseitig auf einem Schwerpunkt zu verharren, berge die Gefahr, Nutzung und Fertigkeiten der anderen Bereiche zu verlernen oder auf Anregungen zu verzichten.

Sie plädieren dafür, die Energie aus dem Berufsleben mit in den Ruhestand zu nehmen, um mit Schwung ein neues Leben zu beginnen, es nach den eigenen Wünschen zu gestalten.

Ein normaler Tagesablauf


Es gehe darum, sich selbst zu erkunden, sich auf die eigene Persönlichkeit einzulassen, denn, nur sie nehmen wir mit in die Rente oder Pension „Das, was Sie aus sich selbst in dieser langen Zeit Ihres Berufslebens gemacht haben, unabhängig vom Nimbus und Status ihrer ehemaligen Position“, wie es Herb Stumpf, Autor des Buchs „Wenn das Wochenende 7 Tage hat“ so schön formuliert.

Und er beschreibt einen – für ihn – normalen Tagesablauf. Das soll natürlich nur eine Anregung sein – nicht mehr: Sein Tag laufe ziemlich strukturiert ab.


Ich stehe zwischen sieben und halb acht Uhr auf,


verbringe eine halbe Stunde im Bad und


eine gute weitere halbe Stunde mit Yoga-Übungen und Meditation.


Dann frühstücke ich in aller Ruhe und lese ausgiebig die Süddeutsche Zeitung.


In der Regel ist es dann zehn Uhr.


Die nächsten zwei bis drei Stunden brauche ich für meine Post, meine Mails und den üblichen Bürokram, manchmal auch zum Einkaufen oder den Cappuccino in der Stadt und „people watching“.


Irgenwo zwischen 13 und 14 Uhr ist Mittagessen,


gefolgt von einer erholsamen Siesta, von der mich ein kräftiger Kaffee zurück ins Leben befördert.


So um 15 Uhr herum beginnt mein regulärer ‚Arbeitstag‘,  also Schreiben, manchmal Malen oder eine Seminarvorbereitung.


Mitunter fällt dieser Teil aus, weil das Leben andersweitig lockt.


Pflicht und Kür sind nicht mehr so genau getrennt!


Gegen 19 Uhr koche ich für meine Frau und mich, häufig auch für Freunde.


Ja, und wie Sie merken, war dann der Tag gut gefüllt – und ich freue mich auf jeden nächsten, den ich noch erleben darf.


Er räumt ein, dass er die „Entdeckung der Langsamkeit“ schrittweise wieder erlernen musste. Sein Leitmotiv heißt: „Lebe jetzt – bevor es zu spät ist!“ Leben heißt, ein Leben zu leben, „das seine Inhalte braucht, ein stetes Tun, geprägt von seinem tieferen Sinn.“ Deswegen wünscht er allen „möglichst viel bewusste Zeit“.

Das wünsche ich mir auch für mich – und für alle Anderen.

Die "Süddeutsche Zeitung" hat zwölf Rentner auf ihrem Weg vom Beruf in die Rente begleitet und sie zu Wort kommen lassen. Interessant, wie unterschiedlich die Meinungen zur "großen Freiheit oder großen Leere" sind. Alle haben festgestellt, dass "nach einem Jahr im Ruhestand nichts mehr ist, wie es war". Unter den Interviewten sind:

- Bernd Kunze, 66, war Leiter der Großküche eines Erfurter Klinikums


- Friedel Frechen, 65, war Pressesprecher der Stadt Bonn


- Werner Schwengel, 67, war Bäckermeister in Hamburg


- Dieter Krocker, 61, war Direktor bei Opel


- Wolfgang Schramm, 69, war Leiter der Abteilung für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie an der Uniklinik München


- Hans Steinert, 66, war Fachbereichsleiter Finanzen bei der AOK Bayern


- Franz-Peter Osterkamp, 63, war Direktor eines Gymnasiums in Rüsselsheim


- Horst Körner, 65, war Leiter eines Jugendzentrums in Berlin


- Klaus Höcker, 65,  war Busfahrer bei der BVG in Berlin


- Werner Föhlinger, 66, war Dezernent bei der Deutschen Rentenversicherung in Speyer


- Hans Völler, 67, war Lehrer am Berufskolleg in Paderborn

Vielleicht sollten sich einige ein Beispiel an Werner Föhlinger machen, der den Übergang in die dritte Lebensphase locker geschafft hat:


Auch früher im Urlaub konnte ich immer schnell den Schalter umlegen. Genauso war es bei meinem Eintritt in den Ruhestand. Obwohl ich gerne gearbeitet und meine Kollegen geschätzt habe, hatte ich keine Probleme, alles hinter mir zu lassen. Ein Grund dafür ist bestimmt, dass ich mir nicht überflüssig vorkomme. Die Leute aus unserem Dorf kommen zu mir, wenn sie Probleme mit ihrer Rente oder Krankenversicherung haben. Ich helfe ihnen dann mit Anträgen und Formularen - der Werner kennt sich aus, heißt es bei uns. Außerdem bin ich generell nicht der Typ, der zu Hause sitzen und sinnieren würde. Es gibt viele Dinge, manchmal auch ganz kleine, die mir Freude bereiten: eine Radtour zum Baggersee, Blödsinn machen mit meinen Enkelkindern. Schon jeder Tag beginnt für mich mit einem kleinen Glücksmoment. Der Wecker klingelt nach wie vor um sechs, wie früher, als ich noch berufstätig war. Ich höre ihn mir kurz an, schalte ihn aus und freue mich darüber, dass ich noch nicht aufstehen muss.«
https://vorunruhestand.de/2024/06/wie-sieht-eine-normale-rentner-woche-aus/

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